Tiefgründigkeit ist komplex. Komplexität ist kompliziert. Wem Ordnung heilig ist, der versteht oft das Chaos nicht.
Menschen, die in ordentlichen und sauberen Wohnungen hausen, möbliert mit teurem Mobiliar das vorgibt, aus Holz zu bestehen (tut es im Grunde auch, nur eben aus geschreddertem, deshalb soll oft eine gefakte Holzfront die Intaktheit des Holzes vorspiegeln, gelingen tut es nicht) mit ein wenig Stahl veredelt hier und dort, in der Ecke eine Alibi-Palme und an der Wand ein Kunstdruck von Ikea.
Eine Wohnung ist zu lesen wie ein offenes Buch. Ich habe die Theorie, dass der Sex mit einem Alibi-Palmen-Mann eher langweilig sein wird. (Hoffentlich fühlt sich nun niemand angegriffen). Wahrscheinlich sind diese Männer einfach sehr bodenständig. Das hat viel Positives.
Mein ehemaliger Mitbewohner ist definitiv nicht bodenständig. Er raucht, trinkt, hat wechselnde Frauengeschichten am Laufen, spielt WoW und Gitarre, schreibt wunderschöne Lieder und eine aufgeräumte und saubere Wohnung ist ihm ganz offensichtlich suspekt, zumindest lassen das seine Handlungen bzw. Nichthandlungen vermuten.
Ich bin da anders gestrickt. Mir gefällt es, in einer sauberen Wohnung zu leben, was sich auch in meinen Handlungen widerspiegelt. Sein Kommentar dazu:
– Das ist das wahre Leben! Einer Frau beim Putzen zuzuschauen. Nicht die vielen Parties und der Alkohol. Das wahre Leben ist einfach und schlicht.
– Danke, ich würd dich auch gern mal am wahren Leben teilhaben sehen.
Mit eben diesem Mann nachts in der Küche bei Rotwein und Bier zusammenzusitzen und Gespräche über das Leben zu führen, ist unbezahlbar. Ungehemmt über Sex reden zu können, über Beziehungen, elementare Erfahrungen. Ehrliche Ansagen zu bekommen:
– Heute hätte ich dich zwei Mal beinahe angeschrien.
Meine Wohnungtheorie findet er interessant. Seine Möbel sind alle aus Echtholz. Das war klar. Sein Schreibtisch erzählt Geschichten…damals ist seinem Vater ein Tintenfass darauf ausgekippt, das eine „Narbe“ hinterlassen hat. Manchmal sind Narben schön. Perfekt ist langweilig.
Vor ein paar Tagen kaufte er uns spontan eine Sushibox zum Frühstück. Was für eine Idee, was für eine Freude!
Von Langeweile keine Spur.
– Wie geht’s dir?
– Gut. Sehr interessant, dass du mich das fragst.
Nichts ist selbstverständlich mit diesem Mann.