Mauern

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Ich stehe kurz davor, einen Kulturraum auf Mallorca zu eröffnen. Nichts Elitäres. Ich möchte einen Raum schaffen, in denen sich verschiedene Kulturen und Gesellschaftsschichten begegnen und näher kommen können – durch Kunst.

In meiner Stadt leben viele Marokkaner, deren Familien ursprünglich als Feldarbeiter nach Mallorca kamen. Ich sitze im Zug mit zwei jüngeren marokkanischen Männern und spreche sie kurzerhand an – erzähle ihnen von meinem Projekt und frage, ob sie zufällig einen marokkanischen Maler auf der Insel kennen würden. Mir wird sogar auf Deutsch geantwortet: Er sei Elektriker und sein Kumpel, der mir gegenübersitzt, sei Maler.
Ich erkläre nun, dass ich einen Maler meine, der Bilder malt, künstlerisch. Unverständnis. Ich spreche weiter von Künstlern, die malen, Skulpturen erschaffen usw. Es hilft nichts. Ich suche auf meinem Handy Bilder von Monet und zeige sie den beiden. Ahhhh! Diese Art malen! Nein, da würden sie leider niemanden kennen.

Warum haben die beiden mich nicht verstanden? Natürlich hat nicht jeder – Biografie bedingt – Zugangsmöglichkeiten zu Kunst und Kultur. Doch dass die Barriere so hoch ist – damit hatte ich nicht gerechnet. Wahrscheinlich ist bisher auch noch niemand darauf gekommen, marokkanisch aussehende Männer der Arbeiterklasse zu fragen, ob sie einen marokkanischen Maler kennen. Warum auch? Ja, warum? Rechnet natürlich keiner damit, sind ja Feldarbeiterfamilien, was sollten die mit Kunst am Hut haben?

Diese kleine Anekdote bestärkt mich in meinem Projekt. Fragt doch einfach mal nach, was euer Nachbar so macht. Reißt diese hässlichen Mauern ein!

Ja, es ist anstrengend, sich zu durchmischen. Aber es herrschen Krieg und Hungersnot auf dieser Welt. Und wir tragen eine Mitschuld.
Weil wir wegschauen. Weil wir uns mit gleichgesinnten umgeben, die alle mehr oder weniger gleich intellektuell sind und gleich viel Geld haben. Bequemlichkeit. Soll sich doch jemand anders kümmern!

Das gleiche gilt für die gelebte „Spiritualität“ auf Mallorca, mit der Kohle wie Heu gescheffelt wird. Die reichen westlichen Hippies veranstalten für andere reiche westliche Hippies Zeremonien indigener Völker – wie geht’s denen eigentlich und finden die das in Ordnung mit der Geldmacherei? Na, ist ja nicht so wichtig. Hauptsache wir bleiben unter uns und entwickeln unsere Persönlichkeit ganz toll weiter – Ego bye bye. Dann gehen wir nach Hause in unsere schicke Villa mit Meerblick und tragen von Kinderhand gefertigte Hippieklamotten. Nee, aber das Ego haben wir doch schon fast überwunden, wir sind voll spirituell. Na klar.

Ich weiß, das alles klingt etwas platt, aber umso leichter verständlich ist es, und das ist doch gut so.


Ich bin wütend!

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